Die Rolle von HR bei der Förderung von Work-Life-Balance und Burnout-Prävention

    Die viel zitierte Work-Life-Balance gewinnt insbesondere für die heutige Generation sowie für jene, die in Zukunft in den Arbeitsmarkt eintreten, zunehmend an Bedeutung. In der modernen Arbeitswelt stehen Unternehmen und ihre Personalabteilungen also vor der Aufgabe, eine entsprechende Ausgewogenheit für ihre Beschäftigten zu ermöglichen und zu fördern. Das sollte aber nicht als notwendiges Übel erachtet werden. Vielmehr wird man damit nicht nur seiner sozialen Verantwortung gerecht, sondern hat mit den richtigen Maßnahmen auch einen wirksamen Schlüssel für den Unternehmenserfolg in der Hand. HR-Verantwortliche nehmen dabei eine wesentliche Rolle ein, denn sie können maßgeblich die Rahmenbedingungen und Unternehmenskultur mitgestalten. 

    Eine zentrale Herausforderung ist dabei die Prävention von stressbedingten Erkrankungen, wie beispielsweise Burnout. Dieses „Ausbrennen“ tritt auf, wenn Menschen über längere Zeit anhaltenden beruflichen Belastungen ohne ausreichende Regenerationsphasen und Ausgleichsmöglichkeiten ausgesetzt sind. Die Symptome reichen von emotionaler Erschöpfung über Leistungsabfall bis hin zu schweren psychischen und physischen Beschwerden. Im Rahmen einer Studie der Pronova BKK [1] gaben 61 Prozent der befragten Arbeitnehmenden an, sich gefährdet zu fühlen, an Überlastung zu erkranken. Fast jeder Vierte (21 Prozent) stuft die eigene Burnout-Gefährdung gar als hoch ein. Fast zwei Drittel (62 Prozent) konstatierten außerdem, Überarbeitung schon einmal selbst erlebt oder bei Kolleginnen oder Kollegen beobachtet zu haben – ein Beweis dafür, dass das Thema Überlastung und Burnout-Gefahr auch in den Köpfen der Mitarbeitenden mittlerweile verankert ist.gi-kl-1344283540-1920x1080

    Work-Life-Balance als strategische HR-Aufgabe

    Eine nachhaltige Work-Life-Balance-Strategie basiert auf einem ganzheitlichen Ansatz, bei dem HR-Verantwortliche verschiedene Handlungsfelder berücksichtigen und aufeinander abstimmen. Dazu gehören flexible Arbeitszeitmodelle, die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten, aber auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Stressprävention. Die ganzen Bemühungen sind aber nur dann langfristig erfolgreich, wenn Führungskräften dahinterstehen und Maßnahmen mittragen. Hinreichend sensibilisiert, sind sie der Lage, Anzeichen von Überbelastung bei ihren Mitarbeitenden frühzeitig zu erkennen und aktiv gegenzusteuern. HR-Abteilungen können durch Schulungen und Coaching-Angebote unterstützen und klare Handlungsleitlinien entwickeln. Aber Vorsicht: jeder Unternehmensstandort, jede Abteilung unterliegt in der Regel auch unterschiedlichen Anforderungen. Was in der Verwaltung gut funktioniert, lässt sich nicht immer eins zu eins auf Schichtbetrieb oder Außendienst übertragen. Auch die Integration neuer Arbeitsformen wie asynchrones Arbeiten oder „Work from Anywhere“-Konzepte, die mehr Flexibilität bieten, aber auch neue Kompetenzen erfordern, bieten neue Herausforderungen.

    Konkrete Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance

    Ein zentraler Aspekt für ein ausgewogenes Arbeit-Freizeit-Verhältnis ist die flexible Gestaltung der Arbeitszeit. Gleitzeit, Teilzeitmodelle oder auch Sabbaticals erlauben es Beschäftigten, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. Auch die Möglichkeit zum Homeoffice oder zur mobilen Arbeit kann stark zur Entlastung beitragen, wenn alles gut organisiert und begleitet wird. Gesundheitsfördernde Maßnahmen wie Betriebssport, Entspannungskurse oder ergonomische Arbeitsplatzgestaltung sind weitere wichtige Bausteine. Dabei helfen präventive und intervenierende Angebote, die durch eine Zusammenarbeit mit Gesundheitsexperten ergänzt werden können. gi-kl-1277142237-1920x1080

    Auch digitale Unterstützungsangebote wie Mental-Health-Apps oder Online-Coaching-Plattformen gewinnen zunehmend an Bedeutung. Sie bieten niedrigschwellige und anonyme Hilfe bei ersten Anzeichen von Überlastung. KI-gestützte Systeme zur Erkennung von Belastungsmustern werden ebenfalls eingesetzt, wobei der Datenschutz strikt gewahrt werden muss. Wichtig ist dabei auch die klare Kommunikation, dass derartige Tools der Prävention und nicht der Kontrolle dienen. 
    Achtsamkeit, Gesundheitsförderung und Co. sind aber nicht die einzigen Stellschrauben für eine ausgewogene Work-Life-Balance. Die physische Arbeitsumgebung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Moderne Bürokonzepte berücksichtigen verschiedene Arbeitsmodi und bieten sowohl Räume für konzentriertes Arbeiten als auch für Kollaboration und Entspannung. In hybriden Arbeitsmodellen sollten diese Aspekte auch für das Homeoffice mitgedacht werden, etwa durch Unterstützung bei der ergonomischen Einrichtung oder Regelungen zur technischen Ausstattung.

    Digitale Zeiterfassung schafft Transparenz und setzt Grenzen

    Die geregelte, digitale Zeiterfassung ist ein wesentlicher Baustein für eine gesunde Work-Life-Balance. Durch die transparente und unmittelbare Sichtbarkeit von Arbeitszeiten und Überstunden können sowohl Mitarbeitende als auch Führungskräfte frühzeitig erkennen, wenn das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben aus der Balance gerät. Das ist besonders wichtig, wenn sich Überstunden häufen oder Pausen nicht eingehalten werden. Die präzise Erfassung schafft zudem eine klare Abgrenzung zwischen Arbeits- und Privatzeit, was gerade im Homeoffice von großer Bedeutung ist, wo diese Grenzen leicht verschwimmen können. Die digitale Zeiterfassung unterstützt Beschäftigte aktiv dabei, das Arbeitsende bewusst einzuhalten.gi-kl-1395680664-1080x1080

    Die Erfassung der Arbeitszeiten hat aber noch einen weiteren wichtigen Aspekt, und zwar die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben. Eine systematische Erfassung gewährleistet, dass Arbeits- und Ruhezeiten entsprechend den rechtlichen Anforderungen eingehalten werden. Das schützt die Belegschaft vor Überarbeitung und stellt eine notwendige Regeneration sicher. Moderne digitale Systeme bieten dabei den Vorteil, dass sie Flexibilität mit Struktur verbinden. Sie ermöglichen flexible Arbeitszeiten, während sie gleichzeitig die vereinbarten Rahmenzeiten im Blick behalten. So können Mitarbeitende ihre Arbeitszeit besser an persönliche Bedürfnisse anpassen, ohne dass die Gesamtarbeitszeit unkontrolliert anwächst. Nicht zuletzt unterstützt die digitale Zeiterfassung auch das persönliche Selbstmanagement. Auf diese Weise sind Beschäftigte in der Lage, ihr eigenes Arbeitsverhalten zu analysieren und bei Bedarf anzupassen. 

    Unternehmenskultur als Schlüsselfaktor

    Eine nachhaltige Work-Life-Balance kann nur gelingen, wenn sie in der Unternehmenskultur verankert ist. Dazu gehört, dass Überstunden und ständige Erreichbarkeit nicht als Zeichen besonders hohen Engagements gewertet werden – und zwar von Führungskräften, HR-Verantwortlichen und Teammitgliedern gleichermaßen. Stattdessen sollte eine Kultur der gegenseitigen Achtsamkeit und des respektvollen Umgangs mit persönlichen Grenzen gefördert werden. Das beginnt bei der Kommunikation von klaren Erwartungen und Zielen und reicht bis zur Vorbildfunktion des Managements. Wenn Führungskräfte selbst auf ihre eigene Work-Life-Balance achten und auch nach außen zeigen, hat das eine starke Signalwirkung auf die gesamte Belegschaft.

    Evaluation und kontinuierliche Optimierung

    Die moderne Arbeitswelt unterliegt einem stetigen Wandel – und auch die eingeführten Maßnahmen sollten auf Realitätsnähe und Wirksamkeit regelmäßig überprüft werden. So können HR-Verantwortliche zeitnah bei Bedarf nachsteuern. Befragungen der Belegschaft, Gesundheitsstatistiken und Feedback-Gespräche liefern hier wichtige Hinweise. Auch die Entwicklung von Krankheits- und Fluktuationsquoten gibt Aufschluss über den Erfolg der Work-Life-Balance-Strategie. Besonders wichtig ist es, die Maßnahmen an die individuellen Bedürfnisse verschiedener Gruppen innerhalb der Belegschaft anzupassen. Jüngere Beschäftigte haben oft andere Anforderungen als ältere, Eltern andere als Singles. Ein flexibles System verschiedener Angebote ermöglicht es jedem, die für ihn passende Unterstützung zu wählen.

    Moderne Analysetools können dabei helfen, frühzeitig problematische Entwicklungen zu erkennen. Wichtige Kennzahlen sind etwa die durchschnittliche Meetingzeit pro Tag, die Häufigkeit von Arbeit außerhalb der Kernzeit oder die Nutzung von Pausenzeiten. Für eine sinnvolle Auswertung sollten diese Daten immer im Kontext betrachtet und mit qualitativen Erkenntnissen aus Personalgesprächen abgeglichen werden. Besonderes Augenmerk bedürfen Sondersituationen und kritische Übergangsphasen, etwa bei einer Rückkehr aus der Elternzeit oder nach längerer Krankheit. Hier haben sich individuelle Wiedereingliederungsprogramme bewährt, die schrittweise die Arbeitsbelastung steigern und eng durch HR-Teams und Führungskräfte begleitet werden.gi-kl-1290943170-1920x1080

    Wirtschaftlicher Nutzen einer ausgewogenen Work-Life-Balance

    Investitionen in die Work-Life-Balance zahlen sich für Unternehmen mehrfach aus. Geringere Krankheits- und Fluktuationsquoten, zufriedener und motiviertere Mitarbeitende sowie eine bessere Arbeitgeberattraktivität sind nur einige der positiven Effekte. Auch die Produktivität und Innovationskraft steigen, wenn Beschäftigte ausgeglichen und gesund sind. Zudem werden Unternehmen mit einer guten Work-Life-Balance-Strategie am Arbeitsmarkt als attraktive Arbeitgebende wahrgenommen. Ein wichtiger Vorteil im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte, insbesondere angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels.

    Prävention arbeitsbedingter Ausfälle

    Die konsequente Förderung der Work-Life-Balance hat sich als wirksames Instrument zur Prävention arbeitsbedingter Erschöpfungssymptome erwiesen. Laut Statista wiesen 2024 geschlechterübergreifend rund 37 Prozent der Menschen in der Bundesrepublik Burnout-Symptome [2] auf. Auch die Entwicklung dieser Symptomatik unterstreicht die hohe Relevanz. So war bei Krankschreibungen aufgrund von Burnout-Erkrankungen ein Anstieg von 100 AU-Tagen je 1.000 erwerbstätiger AOK-Mitglieder im Jahr 2014 auf knapp 184 Tage im Jahr 2024 zu verzeichnen [3].

    Die Prävention dieser Problematik erfordert nicht nur gezielte Interventionen, sondern auch einen kulturellen Wandel in den Unternehmen. Offene Kommunikation, Resilienztrainings und regelmäßige Check-ins können das Risiko eines Burnouts signifikant reduzieren. Auch psychologische Beratungsangebote und soziale Unterstützung innerhalb von Teams sind entscheidend. Innovative Technologien wie Wearables zur Überwachung von Stressniveaus oder Apps zur Selbstreflexion können Mitarbeitende dabei unterstützen, ihre psychische Gesundheit aktiv zu managen.

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    Fazit und Ausblick

    Die Förderung einer ausgewogenen Work-Life-Balance ist eine zentrale Zukunftsaufgabe für HR-Verantwortliche. Der Trend zu immer flexibleren und digitalisierten Arbeitsformen macht es dabei nicht leichter, die richtige Balance zu finden. Mit klaren Konzepten können Unternehmen diesen Herausforderungen zielführend begegnen. Wichtig ist dabei, die Umsetzung der Maßnahmen aktiv zu begleiten und permanent auf den Prüfstand zu stellen, um schnell auf Irritationen reagieren zu können. Erfolgreiche Work-Life-Balance-Strategien haben immer die gesamte Organisation im Blick und verknüpfen verschiedene Maßnahmen intelligent miteinander. So gelingt es, sowohl den Bedürfnissen der Mitarbeitenden als auch den Anforderungen des Unternehmens gerecht zu werden und eine nachhaltig gesunde und leistungsfähige Organisation zu schaffen.

    Passend dazu: Unser Webcast zum Thema Wie beeinflusst die Arbeitszeiterfassung den Arbeitsschutz?

     

    [1] https://www.pronovabkk.de/unternehmen/presse/studien/arbeiten-2023.html
    [2] https://de.statista.com/themen/161/burnout-syndrom/
    [3] https://www.aok.de/pp/bv/pm/fehlzeiten-report-2024/